Hilfe gegen das „Bodensee-Syndrom“
Hilfe gegen das „Bodensee-Syndrom“
Dem Leib etwas Gutes bieten, damit die Seele Lust hat, darin zu wohnen
Der dunkle und nasskalte Herbst gilt allgemein als Depressionszeit. Das betrifft insbesondere gerade auch die Bodenseeregion. Aufgrund der klimatischen Bedingungen haben Städte und Gemeinden wie Lindau, Konstanz und Kreuzlingen oft viele Stunden am Tag „den Deckel drauf”, wie man im Volksmund gerne über den lang anhaltenden regionalen Hochnebel klagt.
Hartnäckig hält sich darum wohl auch das Gerücht, rund um den Bodensee ereigneten sich die meisten Suizide. Statistisch aber ist dies keineswegs belegt. In Proportion zur Bevölkerung weisen deutschlandweit die Länder Sachsen-Anhalt, Sachsen, und Thüringen mit 13,7, 13,5 bzw. 12,8 Suiziden je 100.000 Einwohner die höchste Selbstmordrate aus.[1] Und europaweit trifft das auch keinesfalls auf Österreich und die Schweiz zu. Nach einer Studie des Statista Research Departements nämlich gelten Litauen und Slowenien als traurige Spitzenreiter der Suizidstatistiken.[2]
Dennoch: Das ewige Grau in Grau kann mitunter durchaus mächtig auf die Psyche drücken. Denn in der kalten Jahreszeit nehmen die Lichtmangeldepressionen zu. Therapeutische Abhilfe ist möglich. Ersetzt man nämlich die fehlenden Sonnenstrahlen mit künstlichem UV-Licht, bleiben die Werte des antidepressiv wirkenden Vitamin D und des Melatonins stabil und die Stimmung sinkt keinesfalls so dramatisch.[3]
Unterschied zwischen Physio und Psycho
Oftmals aber sind es verschiedene Faktoren, die eine Depression hervorrufen. Und dann brauchen Betroffene Hilfe. Hier sorgt die Sprache für weitere Verunsicherung: Braucht man nun einen Psychotherapeuten oder hilft einem gar ein Physiotherapeut? Denn vom derart ähnlich klingenden fremdsprachlichen Buchstabensalat aus P, Y und O ist manch einer überfordert. Viele Menschen kennen einfach den Unterschied zwischen Physio und Psycho nicht!
Physio und Psycho jedoch sind zwei konträre Begriffe. Physiotherapie kommt vom altgriechischen phýsis, (zu deutsch ‚Natur‘, ‚Körper’) und therapeía, (zu deutsch ‚Dienen‘, ‚Pflege‘, ‚Heilung‘) her. Die ebenfalls dem Altgriechischen entstammende Psyche (psychḗ, zu deutsch ‚Atem‘, ‚Hauch‘, ‚Seele‘) hingegen beschreibt den mentalen Zustand des Menschen. Der Psychotherapeut also wendet sich der seelischen Befindlichkeit des Patienten zu.
„Mens sana in corpore sane“
Dennoch bedingen sich beide Dinge. Denn wie der Lateiner sagt „Mens sana in corpore sana“, so kann es einen gesunden Geist nur in einem gesunden Körper geben. Physische Schmerzen und Beschwerden könnnen mitunter auch seelische Ursachen haben – ebenso wie physische Störungen auch auf die Psyche durchschlagen können.
Bekannt ist der irrtümlich Winston Churchill zugeschriebene Spruch, „Man solle dem Leib etwas Gutes bieten, damit die Seele Lust hat, darin zu wohnen“. Ursprünglich entstammt diese Weisheit der Theresa von Avila, eine spanische Mystikerin aus dem 16. Jahrhundert. Sie verstand den „Leib als Tempel der Seele“ und prägte damit schon früh den wesentlichen Grundansatz einer ganzheitlichen Medizin.[4]
Nun muss der Physiotherapeut zwar keineswegs die Arbeit des Psychotherapeuten gleichermaßen beherrschen. Doch er weiß, dass Herz-/Kreislaufstörungen, Herzinfarkte, Magen-/Darmkrankheiten, Atemprobleme oder einfach auch nur Schmerzsyndrome wie Kopf- und Rückenschmerzen durchaus psychische Ursachen haben können.[5] Ein guter Physiotherapeut hört seinem Patienten aufmerksam zu und fragt gegebenenfalls gezielt nach, um Ursachen der Erkrankung bzw. der körperlichen Beschwerden zu ermitteln. Und er kann dem Patienten dann auch insofern weiterhelfen, indem er ihm Adressen von Anlaufstellen nennt.
Humor – manchmal einfach die beste Therapie
Essen und Trinken hält bekanntlich Leib und Seele zusammen. Gegen das oben geschilderte „Bodensee-Syndrom“ hilft manchmal auch schon ein wenig Wellness mit Sonnenbank, eine Wohlfühlmassage oder ein gutes Essen. Und in diesen Tagen vielleicht umso wichtiger: Dass jemand dem Betroffenen aufmerksam zuhört!
Wenn Ihnen aber gegenüber im Café, in der Kneipe oder im Biergarten jemand über sein „Bodense(e)h-Syndrom“ klagt, dann lassen Sie sich nicht davon ins Bockshorn jagen. Womöglich jammert er ja nur mit sprachlichem Witz darüber, dass er in seinem leer getrunkenen Glas den Boden sehen kann. Dem kann rein physisch recht einfach durch Nachschenken oder Neubestelllung eines Drinks abgeholfen werden.
[1] Statista GmbH, Hamburg: „Anzahl der Suizide in Deutschland nach Bundesländern bis 2018“, in: statista.com vom 13. August 2020, Abruf am 15. Oktober 2020.
[2] Statista GmbH, Hamburg: „Selbstmordrate in ausgewählten Ländern Europas nach Geschlecht 2015“, in: statista.com vom 12. September 2020, Abruf am 15. Oktober 2020.
[3] Die Welt: „Treibt das Wetter die Menschen in den Suizid?“, in: welt.de vom 21. November 2012, Abruf am 15. Oktober 2020.
[4] Cornelia Coenen-Marx: „Leib und Seele zusammenhalten“, in: seele-und-sorge.de vom 15. September 2015, Abruf am 15. Oktober 2020.
[5] Reinhard Haller: „Mens sana – präventive Aspekte im psychischen Bereich“, in: ibk-gesundheit.org vom 11. November 2010, Abruf am 15. September 2020.